Art der Schwachgeistigkeit
Völlig hirnlose Anwendung falscher Techniken bei der Erstellung von HD-Videos und Blu-rays aus Super-8 Filmen.
Vergewaltigte Technologien
- Interlacing
- YUV 4:2:0
- MPEG-2
Die Schwachgeistigkeiten im Detail
Die Firma medienrettung.de ist ein Berliner Dienstleister (Allee der Kosmonauten 32B, 12681 Berlin) im Bereich der Digitalisierung von Dias, Analog-Videos, Super-8 Filmen, sonstiger Schmalfilme etc pp. Was bei besagter Firma vorgeht, wenn aus einem Super-8 Film eine Blu-ray gemacht werden soll, ist im Folgenden beschrieben und kommentiert:
- Ein Film-Scanner digitalisiert die Einzelbilder des Super-8 Films. Super-8 Kameras arbeiteten bzw. arbeiten immer noch mit 18 Bildern pro Sekunde, es entstehen also 18 Digitalbilder pro Sekunde Film. So weit, so gut.
- Blu-rays unterstützen lediglich die Frameraten 24, 25 und 30. Irgendwie müssen also aus 18 Bildern pro Sekunde 24, 25 oder 30 gemacht werden. Und schon nimmt das Unheil seinen Lauf. Offenbar ist eine gewisse Entwicklung der letzten Jahre, genannt High-Definition, an den Mitarbeitern dieser Firma vollständig vorbei gegangen. Sie gehen anscheinend vor nach dem Motto „Was für DVDs und PAL-Fernseher gut war, kann doch für Blu-rays und HD-Fernseher nicht schlecht sein, oder?“ Also werden für die Frameraten-Konvertierung die 18 Vollbilder pro Sekunde erstmal fröhlich pfeifend in Halbbilder zersägt, so wie man es aus dem letzten Jahrtausend kennt, als Fernseher noch arschschwer waren und mit Elektronen auf Phosphor geschossen haben. Damit unsereins nicht blind wird von starkem Bildflackern, haben PAL-Fernseher statt 25 Vollbildern pro Sekunde 50 Halbbilder dargestellt (und Video-Kameras auch 50 Halbbilder pro Sekunde aufgezeichnet). Bei medienrettung.de scheint man zu glauben, dass HD-Fernseher, HD-Projektoren & Computer-Monitore auch noch nach diesem Interlacing-Prinzip arbeiten, anders kann man sich jedenfalls nicht erklären, wieso sie meinen, mit Halbbildern herumhantieren zu müssen.
- Als Ziel-Framerate haben sie sich für 25 FPS entschieden, vielleicht weil sie sich mental nicht von PAL lösen können. Die aus den 18 Vollbildern pro Sekunde entstandenen 36 Halbbilder werden nun so auf die 25 Zielbilder verteilt, dass 16 der 18 Super-8 Frames sich noch als Vollbilder wiederfinden. 2 Super-8 Frames hingegen sind nur noch als jeweils 2 Halbbilder in benachbarten Bildern vorhanden. Jetzt könnte man sich vielleicht denken „Scheiße, dann googlen wir jetzt halt nach einem Tool, das dieses ganze Halbbilderspaghetti entwirrt und die wieder zusammengesetzten Vollbilder liefert.“ Wenn’s so einfach wäre...
- Bis jetzt haben die „Retter der Medien“ also ein Video mit 25 Bildern pro Sekunde erzeugt, das bereits schöne Interlacing-Artefakte aufweist. Aber keine Angst, das Elend hat noch lange kein Ende! Das Video soll ja schließlich auf eine Blu-ray, also muss ein von Blu-rays unterstützter Codec her. Nein, sie nehmen natürlich nicht den, den Du und ich wahrscheinlich nehmen würden, nämlich MPEG-4 (aka H.264 aka AVC), sondern das gute alte MPEG-2 (HD). Nach dem Interlacing ist das die zweite Steinzeittechnologie, die medienrettung.de da ausbuddelt. Der Witz an der Sache ist allerdings, dass selbst MPEG-4 nicht mehr viel retten könnte, denn der Interlacing-Schwachsinn rächt sich nun gnadenlos...
- Sowohl MPEG-2 HD als auch MPEG-4 Videos sind auf Blu-rays nur im Pixelformat YUV 4:2:0 zulässig, nicht in YUV 4:2:2 oder 4:4:4. Dies bedeutet, dass zwar die Helligkeitsinformation eine Bildes in voller Auflösung erhalten bleibt, die Farbinformation aber sowohl horizontal als auch vertikal auf die halbe Auflösung reduziert wird. Normalerweise fällt das dem menschlichen Auge nicht auf, da es Farbunterschiede nicht so genau wahrnehmen kann wie Helligkeitsunterschiede und außerdem die meisten Video-Bilder viel fließende Farbübergänge aufweisen, also die meisten benachbarten Bildpunkte eine ähnliche Farbe haben. Dumm nur, dass die von medienrettung.de erzeugten Videos Halbbilderspaghetti sind und sich deshalb ein Pixel sehr wohl stark von den Pixeln direkt darüber und darunter unterscheiden kann, wenn gerade ein Kameraschwenk im Gange ist oder sich Dinge in der Szene bewegen. Und solange nicht jemand ein Schneckenrennen mit Stativ gefilmt hat, ist normalerweise einiges in Bewegung im Bild. Zu den Interlacing-Artefakten gesellen sich nun also auch noch ganz reizende Farbfehler. Technik, die begeistert!
- Wie bereits erwähnt, sind pro Sekunde 2 der ursprünglichen 18 Super-8 Frames nur noch als Halbbilder in benachbarten Frames vorhanden. In Kombination mit den Farbfehlern verursacht durch die YUV 4:2:0 Kodierung heißt das, dass 2 Super-8 Frames pro Sekunde schlicht und einfach nicht rekonstruierbar sind, jedenfalls nicht ohne heftige Farbfehler.
- Relativ saubere Kameraschwenks wirken nach der 18 FPS zu 25 FPS Konvertierung holperig, da keine echten Zwischenbilder berechnet werden, wie es Final Cut Pro X z. B. kann, sondern Halbbilder schlicht und einfach in unregelmäßigem Muster wiederholt werden.
- Das Interlacing ist natürlich auch nicht im Sinne von MPEGs Kosinustransformation, da Frames durch das Interlacing Bereiche mit hochfrequenten Änderungen besitzen, die nach der Kosinustransformation mit extra vielen Bits kodiert werden müssen. Effiziente Kodierung geht anders.
- Einen haben wir noch: Bei medienrettung.de werden Super-8 Filme immer nach 25 FPS konvertiert, ganz egal, ob der Kunde gerne eine Video Blu-ray haben möchte, oder lieber MPEG-4 Dateien auf Daten-Blu-ray oder Festplatte. MPEG-4 Videos mit 18 Bildern pro Sekunde gibt’s von dieser Firma gar nicht.
- Und zum Abschluss noch das i-Tüpfelchen: Wer die geradezu abwegige Erwartung hat, medienrettung.de würde sämtliche Frames seines Super-8 Films sauber digitalisiert und unzerstückelt in guter Qualität liefern, dem kann geholfen werden. Für diesen Fall bietet medienrettung.de an, sämtliche Frames einzeln und unkomprimiert als TIFF Bilder auf Festplatte zu liefern. Vorausgesetzt natürlich, Du bringst die Festplatte mit sowie deutlich mehr Euronen. Nein, das war jetzt kein Scherz, sondern ein tatsächliches Angebot von dem Laden.
Beispielbilder aus einer von medienrettung.de hergestellten Blu-ray
Denjenigen, die das Elend nun auch noch Live und in Farbe sehen wollen, kann geholfen werden: 4 Video-Frames aus einer von medienrettung.de hergestellten Blu-ray. Die aufeinanderfolgenden Frames wurden von ffmpeg aus der Datei BDMV/STREAM/00000.m2ts extrahiert und als PNGs (jeweils etwa 3,5MB groß) gespeichert. Das erste und letzte Frame enthält jeweils ein vollständiges Super-8 Frame. Die mittleren beiden Frames hingegen enthalten ein Super-8 Frame zerstückelt und verteilt über beide Frames. Aufgrund der Speicherung der Frames im YUV 4:2:0 Format ist dieses Frame nicht mehr zu retten. Wer möchte (oder masochistisch veranlagt ist), kann’s aber natürlich trotzdem gerne mit dem Bildbearbeitungsprogramm seiner Wahl versuchen. ;-)
TL;DR
Die Firma medienrettung.de ist nicht mal ansatzweise in der Lage, qualitativ akzeptable Blu-rays aus Super-8 Filmen herzustellen.
Nachspiel meiner Bewertung von medienrettung.de auf ausgezeichnet.org
Da es sich die Firma medienrettung.de nicht hat nehmen lassen, auf ausgezeichnet.org eine äußerst unterhaltsame "Stellungnahme" zu meiner Bewertung abzugeben, man als Bewerter aber anscheinend nichts mehr zu sagen hat, gibt's hier nun meine ausführliche Antwort auf diese unsägliche Vernebelungsaktion.
Hinter den Kulissen von medienrettung.de
Von medienrettung.de gab's gerade einen netten Tweet mit einem Link zu einem Blogeintrag, in dem erklärt wird, welche Stationen eine Filmrolle bei der Digitalisierung bei medienrettung.de durchläuft. Mal abgesehen von Trivialitäten wie der Tatsache, dass die Jungs Blu-ray nicht einmal korrekt schreiben können, lässt man sich natürlich nicht im Geringsten über technische Details aus, z.B. über die hirnverbrannte 18-FPS nach 25-FPS Konvertierung, die wunderschöne Interlacing-Artefakte erzeugt. Ach ja, es muss schön sein im Wunderland der Medienretter, wo man noch wie in Zeiten lebt, als DVDs von Kinofilmen im PAL-Format 576i50 oder NTSC-Format 480i60 produziert wurden. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, nachzuschauen, aber die von den Jungs aus Filmen produzierten DVDs sind doch bestimmt nicht 576p24, oder? Sonst müsste man den Jungs ja fast gratulieren, dass Sie wenigstens DVDs auf die Reihe kriegen. Naaaah, reichlich unwahrscheinlich. 😀
...und weiter geht's mit den verträumten Geschichten von medienrettung.de
Die Retter der Medien meinen in einem Blog-Post, dass angeblich vier Gründe dafür sprechen, warum man von denen seine Filme digitalisieren lassen soll. Na, mal schauen, was die diesmal für Geschichten erzählen. Da heißt es z.B.:
medienrettung arbeitet mit Hochleistungsscannern aus dem Hause MWA-Nowa. Diese verfügen über drei einzelne Sensoren für die Farben rot, grün und blau und ermöglichen eine höhere Qualität bei der Digitalisierung Ihrer Schmalfilme.
Gratulation. Hat nur niemand was davon, wenn anschließend die Farben benachbarter Frames durch Interlacing + YUV 4:2:0 + MPEG-2 vermanscht werden.
Ob die Filme seinerzeit mit 18 oder 24 Bildern pro Sekunde aufgenommen wurden oder ob es sich um Super8 oder Normal8-Filme handelt, spielt keine Rolle. Wir machen das passend, so dass Sie später beim Abspielen Ihrer digitalen Filmkopien keinen Unterschied bemerken.
🤣 (aka ROFL in der Zeit vor Unicode 9.0)! Man bemerkt keinen Unterschied??? Sicher. Vorausgesetzt, man ist blind. Sie machen das passend ? Sicher. Aber nach dem Motto "Was nicht passt, wird passend gemacht"! Schon leichte horizontale Kamerabewegungen sehen doch beschissen aus, nachdem Sie die Frames durch Ihren Interlacing-Schwachsinn eingesaut haben.
Ach ja: last but not least: Wir arbeiten an guten Digitalisierungsergebnissen und an unseren internen Prozessen.
Pffffffffrz! Dann bloggen Sie doch mal darüber, wenn Sie Ihre internen Prozessen bei der Erstellung von Blu-rays aus Super-8 Filmen endlich auf die Reihe bekommen haben!